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  • Karin Zeger

Mehr als 40 000 Kilometer im Jahr ist Heiner Krebs mit seinem Opel Rekord für die Majolika unterwegs gewesen. Er war einer von vier Handelsvertretern, die die Keramikprodukte dem Einzel- und Großhandel, den Einkaufsverbänden, den Warenhäusern und dem Versandhandel präsentierte – und sogar dem Bundespräsidenten Walter Scheel.

»Dass Walter Scheel auf der Hannover-Messe den Stand der Majolika besuchte, zeigte die damalige Bedeutung des Schramberger Unternehmens«,

erzählt Heiner Krebs, Jahrgang 1940. Heiner Krebs begann seine Ausbildung als Industriekaufmann in der Schiltachstraße im Jahr 1956. »Mir war schon während der Schulzeit klar, dass ich in der Majolika arbeiten möchte.« So wie sein Großvater und sein Vater.

»Man ›musste‹ nicht ins Geschäft gehen, sondern man ging gerne. Die Mitarbeiter und die Firma waren eins.«

Zunächst war er für ein kleines Gebiet in Süddeutschland zuständig, dann für ganz Baden-Württemberg und Bayern sowie für Teile von Hessen. »Südlich der Main-Linie war mein Reisegebiet.« Als »junger Hüpfer, so mit 20«, erzählt Krebs, habe er bei einem Kunden in Nizza ein siebenmonatiges Volontariat absolviert, um die französische Sprache zu erlernen und um einfach »den Gesichtskreis zu erweitern«.

So gerüstet, bereiste er für die Schramberger Firma dann auch noch Frankreich. In den Glanzjahren der Majolika war er das ganze Jahr unterwegs, seine Frau und seine zwei Söhne sah er meist nur an den Wochenenden. »Es gab viele Jahre, da war die Majolika immer ausverkauft«, erinnert sich Heiner Krebs.

Nach der Hannover-Messe im Frühjahr lagen Aufträge bis Dezember vor.


Heiner Krebs im Jahr 1977 auf der Frühjahrsmesse in Frankfurt. Foto: © rangizzz – stock.adobe.com

Kein Selbstläufer

»Für unsere Kunden war es eine sichere Sache, MajolikaProdukte zu bestellen. Die Nachfrage bei den Verbrauchern war sehr groß, das Geschirr lag im Trend.«

Und Kunden, die einmal nicht zur Messe kommen konnten, bestellten die Neuheiten quasi »blind«.

»Mit SMF-Produkte in den Regalen konnte man nichts falsch machen. Diese Marktposition war jedoch kein Selbstläufer, sondern wurde durch das erfolgreiche Zusammenspiel von Design, Produktion, Vertrieb und Geschäftsleitung erbracht. Es gab durchaus auch Mitbewerber, die von dem Steingut-Erfolg nicht profitieren konnten.«


Stapelten sich die Aufträge in den Büros – und es kam zu Lieferengpässen – durften die Handelsvertreter zeitweise gar nicht mehr reisen und wurden im Innendienst eingesetzt. »Wir machten dann für die Kunden die Bestellungen versandfertig, die ganz arg gejammert haben«, formuliert es Heiner Krebs mit einem Lächeln – und unterstreicht damit einmal mehr, wie begehrt die Majolika-Ware war. Geschirrserien wie Tirol, Bernau und Wien gehörten ebenso zum Grundsortiment des Glas- und Porzellan-Einzelhandels wie die Geschenkartikelserien Rhapsodie, Theben oder Carnaby.

»Vor allem im Schwarzwald war die Serie Rembrandt im Souvenir-Bereich über Jahrzehnte hinweg erfolgreich.«

Die erste Delle beim Umsatz sei Anfang der 1980erJahre spürbar gewesen. Damals kamen immer mehr Spülmaschinen in die Haushalte und die Frage der Endkunden lautete:

»Ist das Geschirr auch spülmaschinenfest?«

Diesen Anforderungen war Steingut nicht zu 100-Prozent gewachsen, erzählt Heiner Krebs. Man habe sich mit der Branche auf die Bezeichnung »spülmaschinenfreundlich« geeignet – Risse im Dekor oder abgeschlagene Kanten, wenn das Steingut-Geschirr aus der Spülmaschine kam, ließen sich aber nicht vermeiden – übrigens bis heute nicht. Die Geschäftsführung habe damals viel Energie und Geld in die Entwicklung gesteckt, doch auch die besten Keramikingenieure »bekamen es einfach nicht hin«.

»Der Steingutscherben ist porös, Porzellan hingegen ist wasserdicht und somit spülmaschinenfest«,

so der Fachmann.


Hinzukam die Billigware aus Fernost, Umsätze zu akquirieren wurde immer schwerer. In dieser Zeit habe die Firmenleitung versucht, den Rücklauf beim Geschirr-Umsatz durch weitere Geschenkartikel aufzufangen. Sparschweine, Wandteller mit den vier Jahreszeiten und anderen Motiven sowie »Betthupferldosen« mit Holzdeckeln, Gewürzund Vorratsdosen sowie Behälter für Tischabfälle waren sehr gefragt.


Sonst würde was fehlen

»Die Maßnahme, die Firma 1989 zu schließen, war verständlich und den schlechten Zukunftsaussichten geschuldet«, sagt Heiner Krebs rückblickend.

»Es ist schön, dass es die Firma in dieser Form, nämlich als Gewebepark, noch gibt, sonst würde in Schramberg etwas fehlen. Und vielleicht hätte der eine oder andere Betrieb seinen Sitz nicht mehr in der Stadt.«
  • Karin Zeger

Zeitzeugen | Georg Scholz hat mehr als vier Jahrzehnte bei der SMF gearbeitet / Tochter erinnert sich


»Schramberger Majolika in Hannover gut besucht«, »Ich war ein Majolikaner« und »Fünftälerstadt ehrte Fabrikant Moritz Meyer« – die Zeitungsausschnitte aus den 1950er-, 60er- und 70er-Jahre liegen sorgfältig gefaltet zusammen mit alten SchwarzWeiß-Fotos auf dem Tisch.


In den Unterlagen von Georg Scholz hat sich auch dieser Zeitungsausschnitt befunden, der für die Schramberger Barttasse wirbt – ein Modell, das sich das Unternehmen übrigens patentieren ließ.

Es sind Erinnerungen an die Schramberger Majolikafabrik (SMF). Doch vor allem sind es

ganz persönliche Dinge, die Ingeborg King an ihren Vater Georg Scholz erinnern. Dieser hat von 1931 bis zuseinem Tod im Jahr 1975 in der Steingutfabrik gearbeitet. Der Prokurist kam Ende der 1920er-Jahre von Hamburg nach Schramberg. Er kannte die Stadt bereits, da seine Schwester hier

im Schwarzwald wohnte. 1932 heiratete Georg Scholz, 1936 kam seine Tochter Ingeborg auf die Welt. Ihrem Vater habe die Arbeit in der Majolika sehr gefallen, erinnert sich Ingeborg King. So sehr, dass er auch nach seiner Pensionierung noch beinahe täglich für ein paar Stunden in der Fabrik

»nachdem Rechten schaute«.


Sie selbst kam bereits als Kind persönlich mit der Majolika in Berührung: In der Nachkriegszeit organisierte der Unternehmer Moritz Meyer für den Nachwuchs seiner Arbeiter eine Weihnachtsfeier.

»Es gab für jeden ein kleines Geschenk und die Stimmung war gut«,

so Ingeborg King.

Georg Scholz (Zweiter von rechts) bei der Feier zum 25. Arbeitsjubiläum umrahmt von Frau und Tochter sowie Arbeitskollegen. Foto: King

Apropos Geschenk: Zu einem Arbeitsjubiläum erhielt Georg Scholz ein ganz besonderes. Die Majolika stellte damals ein dekoratives Kaffeeservice in einem satten Rot her. Das Tasseninnere war schwarz.

»Aus einer schwarzen Tasse schmeckt der Kaffee nicht«,

habe damals Georg Scholz festgestellt und bekam ein rotes Geschirr geschenkt, dass Innen weiß war. Diese Einzelanfertigung steht heute übrigens im Regal der Enkelin in Tennenbronn und erinnert dort an Georg Scholz.

  • Karin Zeger

Fundstücke | Unsere Leser und ihr Majolika-Geschirr


Rosemarie Weinhold aus Waldmössingen berichtet:


»Als wir im Jahr 1969 geheiratet haben, bekamen wir von der Schwester meines Mannes, die in Kiel wohnte, als Geschenk zwei knallgelbe riesige Tassen geschenkt.«




»Die Signatur auf der Rückseite von Tasse und Teller haben wir damals nicht weiter beachtet. Das war Nebensache. Der Gebrauch war wichtiger. Die Tassen waren praktisch und hübsch und wir haben sie viel benutzt. Wir wohnten zu der Zeit in Seesen (Niedersachsen). Vier Jahre später haben wir uns dann entschlossen, unsere weitere Zukunft durch einen Arbeits- und Wohnungswechsel zuverändern.«


»So kam es, dass mein Mann in Oberndorf und ich in Schramberg eine neue Arbeitsstelle fanden und wir unseren Wohnsitz nach Waldmössingen verlegten. Erst in dieser Zeit wurden wir auf die Schramberger Majolika aufmerksam und wir stellten damals fest, dass wir nun dort wohnten, wo unsere schönen gelben Tassen vor längerer Zeit einmal produziert worden sind und wir sie mit unserem Umzug zurück in die Heimat gebracht hatten. So schließt sich der Kreis. Wir sind inzwischen im Ruhestand und wohnen noch immer in Waldmössingen. Die Tassen (ebenfalls im ›Ruhestand‹) gibt es noch. Nur sind sie, genau wie wir, ein wenig in die Jahre gekommen.«

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