top of page
Karin Zeger

Neues Buch der Öffentlichkeit vorgestellt



»Die Majolika hat die Welt hineingeholt in den Schwarzwald – durch Künstler, Designer, Ideen und Märkte. Und die Majolika hat den Schwarzwald hinausgetragen in die Welt – steingutförmig, bilderreich, fantasievoll.«

In diese Worte fasst Hans-Peter Schreijäg, Chefredakteur des Schwarzwälder Boten, bei der Präsentation des Buches »200 Jahre Schramberger Majolikafabrik« die Bipolarität von Heimat und Ferne.

Das Buch des Autors Günter Buchholz, pensionierter Lehrer und Heimatforscher, ist am Donnerstagabend im Schramberger Majolika Firmenpark (SMF) der Öffentlichkeit präsentiert worden. Und um es gleich vorwegzunehmen: Die Atmosphäre in dem historischen Gebäude spiegelt das Wesen des 288 Seiten starken Werkes wider, nämlich dass Herkunft auch Zukunft bedeutet.


Die älteste Industrieanlage Baden-Württembergs hat sich für ihre Party fein rausgeputzt und zeigt, was auch nach 200 Jahren noch alles in ihr steckt. So findet der offizielle Teil in den Räumen des Kinos Subiaco statt, einem von rund 70 Mietern des Firmenparks. Zum Come Together mit Jazzklängen des Musikers Valentin Melvin werden die rund 100 Gäste in den Bereich des Gebäudekomplexes geleitet, wo einst Teile des Lagers, des Versands und der Packerei untergebracht waren.

Begrüßt werden die Freunde der Majolika von Geschäftsführer Michael Melvin um exakt 18.20 Uhr – angelehnt an das Gründungsdatum 1820. Er erinnert daran, dass sich die Majolikafabrik immer wieder neu erfinden musste, um fortbestehen zu können. »Das ist der eigentliche Kristallisationseffekt in der Geschichte, die nunmehr seit 200 Jahren währt«, so Melvin. Die Trends einer globalen Welt machten es aus europäischer Sicht mitunter schwer, wirtschaftlich optimistisch zu bleiben. Das westliche Europa sei heute zum Umdenken gezwungen, so wie seine Familie im »Mikrokosmos Majolika« Ende der 1980er-Jahre neu denken musste, als die deutsche Keramikindustrie mit Produkten aus China »regelrecht geflutet« worden sei. 1960 habe es in Deutschland in diesem Bereich noch rund 530 Betriebe mit fast 90 000 Beschäftigten gegeben. Heute seien es in der feinkeramischen Industrie noch etwa 25 Unternehmen mit 5000 Mitarbeitern.

Günter Buchholz packt die Kurzfassung der Firmengeschichte in ein unterhaltsames Gedicht und macht damit einmal mehr neugierig auf seine Recherchen, die er mithilfe der freien Redakteurin Alicja Bienger zu Papier gebracht hat.



Chefredakteur Hans-Peter Schreijäg lädt in seiner Festansprache noch weitere Geburtstagskinder zur Feier ein: den Dichter Friedrich Hölderlin, den Komponisten Ludwig van Beethoven – beide in diesem Jahr 250 Jahre alt – und auch den Schwarzwälder Boten, der seit 185 Jahren erscheint. Es sei das Thema Heimat, mit dem sich sowohl Hölderlin, die Tageszeitung aus Oberndorf als auch die Majolika befassen. Seit der industriellen Revolution sei das Schramberger Traditionsunternehmen mit dem gesellschaftlichen Aufbruch verbunden, so wie das Aufkommen von Tageszeitungen – »ebenfalls eine Heimat/Welt-Komponente«, so Schreijäg.

Die Menschen seien ansprechbar auf Zahlenreihen, »die runde Zahl hat ihren Reiz«. Allerdings müsse man nach der Haltbarkeit und der Wirksamkeit von Gedenk- und Erinnerungskultur fragen. Das Gedenken dürfe nicht im Ritual erstarren. Doch das tue es auch nicht. Vielmehr fördere die wiederkehrende Beschäftigung mit den Themen immer wieder neue Aspekte, Ansätze, Forschungen. »Zudem, so mein Eindruck, tut ein Stück weit Ritual vielen als Leitplanke und Erinnerungsstütze auch gut«, meint Schreijäg. Auch die Geschichte der Majolika weise solche Erinnerungsorte auf. Sie verdienen auch in Zukunft der Achtung und der Achtsamkeit.


Schreijäg:

»Nichts gegen Sience Fiction, nichts gegen intelligente Computer-Games. Doch ich bleibe dabei: Mehr über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kann man aus historisch fundierten Büchern erfahren wie dem Buch von Günter Buchholz und Alicja Bienger. Und zwischendurch gelegentlich ein Gedicht von Hölderlin. Für beides meine Empfehlung.«

Weitere Informationen:

»200 Jahre Schramberger Majolikafabrik. Die Steingutfabrik – Grundstein der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Stadt« von Günter Buchholz ist im Gmeiner Verlag erschienen, es umfasst 288 Seiten mit 480 Abbildungen und ist im Buchhandel für 24 Euro erhältlich.

Karin Zeger

Veröffentlichung | »Schramberger Steingut 1820 – 1882«


Anlässlich des Firmenjubiläums kommen zwei Bücher auf den Markt. »Schramberger Steingut 1820 bis 1882« von Dr. Andreas Staffhorst wird am Freitag, 7. Februar, 19.30 Uhr, im Stadtmuseum vorgestellt.

Im Vorfeld der Buchpräsentation bietet Andreas Staffhorst von 15 bis 17 Uhr im Museum eine »Steingutsprechstunde« an. Bürger, die Schramberger Steingut aus der Zeit von 1820 bis 1882 besitzen, vor allem »Bilderdruckgeschirr«, können sich beraten lassen. Das zweite Buch (Autor: Günter Buchholz) mit zahlreichen Zeitzeugen-Geschichten trägt den Namen »200 Jahre Majolika« und wird im Frühling veröffentlicht (wir werden noch berichten).

Karin Zeger

Erinnerungen | Die Majolika-Fasnetsbälle sind bei den Mitarbeitern sehr beliebt gewesen


Kleine Sketche, Kostümprämierungen, eine fröhliche Atmosphäre, Essen und Trinken: Zum festen Termin in der fünften Jahreszeit hat für die Mitarbeiter die Majolika-Fasnet gehört. So sorgsam und kreativ die Plakate dafür entworfen wurden, so einfallsreich und bunt war auch die Veranstaltung.


Beim Majolika-Ball 1957 werden die Preise für die schönsten Kostüme verteilt (von links): Josef Renz (Betriebsratsvorsitzender), Georg Scholz, Hans King, Anita Braun (erster Preis) und Adolf Rümmele (zweiter Preis) Foto: Privat / Rahmen: kvector - stock.adobe.com

Ob ins ehemalige Hotel Lamm, in den »Württemberger Hof« oder ins »Parkhotel« (heutige »Villa Junghans«): Wenn die Geschäftsführung zur MajolikaFasnet einlud, sind sie alle gekommen. Auch Karl Lamm nahm gemeinsam mit seiner Frau an den närrischen Veranstaltungen teil.

»Obwohl ich sonst selten an der Fasnet unterwegs war«,

erinnert sich der 89-jährige Sulgener. Karl Lamm begann seine Lehre zum Steingutdreher mit 15 Jahren. In die Majolika kam er durch seinen Vater, der dort bereits als Maurer arbeitete.

»Bei der ersten Fasnetsveranstaltung nach dem Krieg gab es Glühmost«,

erinnert er sich. Was anderes war damals nicht aufzutreiben. »Den bekam der Chef von einem Bauer vom Fohrenbühl.« Der Most sei gewürzt und aufgepeppt worden und »gar nicht so schlecht gewesen«, meint der Senior mit einem Lächeln.


Keine leichte Arbeit


Tausende von Suppentassen, Schüsseln, Tellern und Kannen hat Karl Lamm als Steingutdreher in mehr als vier Jahrzehnten in der Schramberger Majolika bearbeitet.

»Teilweise war es keine leichte Arbeit«,

erzählt er. Auch sein Sohn, Thomas Lamm, hat noch bleibende Erinnerungen an die Majolika: Oft lief er als Schüler nachdem Unterricht in die Schiltachstraße, wo er beim Portier wartete, bis ihn sein Vater nach Feierabend mit demAuto mit nach Hause nahm. Einmal, als Karl Lamm für seine 25-jährige Betriebstreue ausgezeichnet worden war und eine kleine Feier stattfand, sei der Inhaber Peter Meyer auf ihn zugekommen und habe ihm ein großes Majolika-Sparschwein geschenkt – das dann auf dem Schoß die Heimfahrt in den Unotweg angetreten hat, so Thomas Lamm.


Karl Lamm in den 1960er-Jahren an seinem Arbeitsplatz.

Auch Adolf Rümmele, der rund zwei Jahrzehnte in der Majolika arbeitete (wir berichteten), nahm gern an den Fasnets-Veranstaltungen teil. Der Schramberger erinnert

sich:

»Ein Programm gab es meines Wissens nicht. Die Verantwortlichen, der Buchhalter Hans King, in der Fasnetszeit auch ›Rosswald-Hans‹ genannt, und der amtierende Betriebsratsvorsitzende, anfangs Josef Renz, später Hans Pfaff, managten die MajolikaFasnet, die eigentlich nur aus einem Ball bestand. Es gab kein eigenes Kostüm, keine eigene Maske und man nahm auch an keinem Umzug teil. Umso wertvoller war für die Belegschaft eben der Ball, der lange Zeit im Hotel Lamm und später im ›Parkhotel‹ stattfand. Kein Kostümzwang, Hut oder Papp Nase genügten. Aber die meisten Teilnehmer kamen verkleidet, denn es fanden Kostüm-Prämierungen statt.«

Aber nicht nur die Verkleidungskünste seien, so Adolf Rümmele, ausgezeichnet worden. Bei den Bällen hätten

auch sportliche Wettbewerbe stattgefunden.

»Ich erinnere mich, dass zur Hula-HoppZeit eine Meisterschaft mit den Ringen ausgetragen wurde, wobei der Chef der Tunnellofen-Halle, Leo Grasmeier, bekannt gab, dass eine seiner Ofen-Füllerinnen Siegerin wurde. Sie hatte den Hula-Hopp-Reifen die längste Zeit geschwungen.«

Lebhaft ist Adolf Rümmele, Jahrgang 1936, auch noch die »flotte Musik« bei den Majolika-Bällen in Erinnerung.

»Es spielte immer eine Tanzkapelle aus dem Schramberger Raum.« Und selbstverständlich durften auch eine Abordnung der Schramberger Hansel und der Brezelsegen nicht fehlen.





bottom of page